Naturschutz Schweiz
Zeremonie des Aussetzens der Hauskaninchen durch Rousseau und seine Gesellschaft im Herbst 1765 auf der Kleinen Insel.

KANINCHEN AUF DER KLEINEN INSEL

Vor der 1. Juragewässerkorrektion ragte der Hügel, vor dem wir hier stehen, als «Kleine Insel» aus dem Wasser. Jean-Jacques Rousseau ruderte während seines Aufenthalts 1765 auf der St. Petersinsel oft mit dem Boot vom Kloster hierher. Er hatte die Idee, dieses «kleine Paradies» zu vervollkommnen, und setzte deswegen hier feierlich Hauskaninchen aus, die er von Neuenburg kommen liess. Rousseaus Kaninchen vermehrten sich gut und nahmen schon nach wenigen Generationen die braune Wildfärbung an. Die Kolonie auf Insel und Heidenweg wurde später mit Wildkaninchen ergänzt.

KLEINE INSEL

Auf der amtlichen Landeskarte von 1877 findet sich im Südwesten der Hauptinsel eine weitere Insel. Funde aus der Bronze- wie auch aus der Römerzeit weisen auf eine frühe menschliche Nutzung dieses Eilandes hin. Im Mittelalter war die Kleine Insel beliebt, um von dort Erde zu holen und damit beispielsweise Rebterrassen aufzufüllen. Noch im 18. Jahrhundert war diese Materialbeschaffung wegen des praktischen Abtransports per Schiff üblich, auch wenn sie zwischenzeitlich verboten war. Die Kleine Insel soll noch zu Rousseaus Zeit wesentlich grösser und höher gewesen sein.

Topographischer Atlas der Schweiz (1877), Blatt 135, 1:25 000

JEAN-JACQUES ROUSSEAU

Der in Genf geborene Philosoph und Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778) wurde wegen seiner Ansichten, die als ketzerisch galten, in Frankreich verfolgt und auch von der Berner Regierung ausgewiesen. In seinen Schriften vertrat er die Auffassung, dass der Mensch im Naturzustand gut sei und erst durch die Zivilisation verdorben werde. Auf ihn geht das Bild des «edlen Wilden» massgeblich zurück. Rousseau hat im Rückblick seinen sechswöchigen Aufenthalt auf der St. Petersinsel als «glücklichste Zeit seines Lebens» bezeichnet.

Titelvignette von «Lîle de St. Pierre dite l’île de Rousseau dans le Lac de Bienne » (1817)

HASEN UND KANINCHEN

«Chüngeliinsel» ist die noch heute gebräuchliche Bezeichnung der Lokalität hier. Die Population der Inselkaninchen erlebte in den 1970er-Jahren einen letzten Höhepunkt. Der Bestand erlosch wegen Krankheiten in den 1990er-Jahren. Mit etwas Glück ist hier jedoch der in ganz Mitteleuropa heimische Feldhase zu sehen. Oft mit Wildkaninchen verwechselt, ist dieser aber fast dreimal grösser, hat viel längere Ohren mit schwarzer Spitze und gräbt keine Höhlen. Der Feldhase ist gefährdet, weil sein bevorzugter Lebensraum, offenes Grasland mit Strukturen wie Gehölze und Brachen, immer seltener wird.

Feldhase (Lepus europaeus) – von Ludwig Binder aus «Tierkunde» (1960)

INSELBOTANIK

Rousseau war auch botanisch tätig; er sammelte und bestimmte systematisch Pflanzen für eine «Flora Petrinsularis», ein Verzeichnis der Pflanzen der Petersinseln. Auf der Kleinen Insel beschreibt er einen Lieblingsplatz, einen sandigen Hügel, «der mit Gras, Thymian und Blumen, sogar Esparsette und Klee bewachsen war». Die Esparsette stammt ursprünglich aus dem Mittelmeergebiet. Der Schmetterlingsblütler wurde zu Rousseaus Zeit als Bodenverbesserer und Futterpflanze vermehrt angesät. Heute ist die Esparsette typisch für Blumenwiesen, sie ist aber auch in Futtersaatmischungen enthalten.

Ansicht einer Wiese mit Esparsette – von Hildegard Müller aus «Pflanzenkunde» (1947)

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